Abtreibungen in Deutschland: Zwischen Dunkelziffer und politischem Schweigen
Lina Jurczik
In den letzten Jahren ist laut Statistik des Statistischen Bundesamtes
stets gestiegen, allein im Jahr 2022 um 9,9 Prozent auf 104.000! Dies geschah
nach einem Jahrzehnt, in welchem die offiziellen Zahlen stets zurückgingen.
Man darf aber die Frage stellen, ob diese Zahlen die Realität der
Abtreibungen in Deutschland überhaupt widerspiegeln. Die tatsächliche Zahl der
Abtreibungen ist aus zwei Gründen wichtig:
Erstens: Im Urteil des Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 1993,
welches bis heute die Abtreibungsregelung in Deutschland bestimmt, wird dem
Staat eine Nachbesserungspflicht aufgelegt, sollten die Zahlen nicht sinken.
Welche konkreten Konsequenzen aus dieser „Pflicht“ folgen, ist nicht leicht zu
bestimmen. Dennoch müsste dem Staat gelegen sein, ob die offiziellen Zahlen
tatsächlich richtig sind oder nicht.
Zweitens: Eine nicht geringe Zahl von Eingriffen werden als
Sozialleistungen entsprechend Sozialgesetzbuch abgerechnet. Für die Abrechnung
dieser müsste großes Interesse bestehen, dass die Zahlen exakt sind. Doch ein
wirkliches politisches Interesse dazu ist nicht erkennbar.
Vor allem aus dem Milieu der Lebensrechtler wurden immer wieder starke
Zweifel an den offiziellen Statistiken erhoben. Es gab aber auch kritische
Stimmen aus der Abtreibungslobby. Konkret von einem der wichtigsten
Abtreibungsärzte in Europa, Christian Fiala.
Der österreichischer Gynäkologe Christian Fiala, brachte im Jahr 2017
eine erschreckende Dunkelziffer ins Spiel und wirft dabei nicht nur die
Qualität der Statistiken, sondern auch politische Interessen in Frage. Die
veröffentlichten Statistiken des Statistischen Bundesamtes melden seit Jahren
einen Rückgang der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland. Doch Christian
Fiala, Gynäkologe und Leiter von zwei Abtreibungsambulanzen, stellt diese
Zahlen infrage. Er behauptet, die Dunkelziffer sei zwei- bis dreimal so hoch
wie die offiziellen Statistiken vermuten lassen.
Dies wirft nicht nur Zweifel an der Qualität der Statistiken auf,
sondern wirft auch die Frage auf, ob politische Interessen die offizielle
Darstellung beeinflussen. Anders ausgedrückt: Abtreibungen in Deutschland
sollen ein Tabuthema bleiben, das nicht nur gesellschaftlich, sondern auch
statistisch im Dunkeln liegt.
Fiala betonte, dass die deutsche Statistik im internationalen Vergleich
einzigartig sei. Während in vergleichbaren europäischen Ländern die
Abtreibungszahlen steigen oder stagnieren, zeigt Deutschland einen
unerklärlichen Rückgang. Dies steht im Widerspruch zu dem, was man angesichts
von Aufklärung, Verhütung und Moral in einem Vorzeigeland wie Deutschland
erwarten würde.
Der Gynäkologe wies zudem darauf hin, dass 97 Prozent aller Abtreibungen
in Deutschland rechtswidrig sind. Eine Tatsache, die vielen Menschen nicht
bewusst ist. Auch die Bedingungen für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch
sind restriktiv, und es gibt kein explizites "Recht auf Abtreibung".
Ein weiterer Punkt, den Fiala kritisierte, ist die Art und Weise, wie
Abtreibungsstatistiken in Deutschland erfasst werden. Im Gegensatz zu Ländern
wie Frankreich, wo die Kosten für Abtreibungen von den Krankenkassen übernommen
werden und die Statistiken mit Krankenhausdaten abgeglichen werden, basieren
die deutschen Zahlen allein auf den Angaben der Kliniken und Arztpraxen. Fiala
sah hier eine mangelnde Kontrollierbarkeit und Vergleichbarkeit der Daten. Die
Kritik des Gynäkologen erstreckt sich auch auf die politische Ebene. Er
vermutete politische Gründe hinter dem auffälligen statistischen Rückgang der
Abbruchzahlen seit 2005. Insbesondere sah er einen möglichen Zusammenhang mit
parlamentarischen Anfragen zur Verschärfung des Abtreibungsparagraphen 218
StGB. Ein politisches Interesse an sinkenden Abbruchzahlen könnte dazu gedient
haben, eine Änderung des Gesetzes zu vermeiden.
Das Bundesfamilienministerium, das sich fest in den Händen von Grünen
befindet, und Pro Familia, die seit Jahrzehnten für eine möglichst liberale
Praxis werben, halten die offiziellen Zahlen hingegen für realistisch und
verweisen auf die hohe Qualität der Schwangerschaftsabbruchstatistik. Sie
betonten, dass die zurückgehenden Zahlen ein Zeichen dafür seien, dass die
bestehenden Maßnahmen wirken. Insgesamt bleibt die Frage nach der tatsächlichen
Anzahl von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland weiterhin offen. Die
Forderung nach mehr Transparenz, Aufklärung und kostenfreier Verhütung bleibt
im Raum stehen, während die Diskussion um die Qualität und Relevanz der
offiziellen Statistiken weitergeht.
Die meisten Politiker in Deutschland wollen sich nicht mit dieser
ungeheuren moralischen Wunde auseinandersetzen.