Die Umkehrung christlicher Werte: Abtreibung und die evangelische Kirche
Maximilian Klieber
Die Diskussion um Abtreibung ist schon immer ein heißes
Eisen gewesen, aber in jüngster Zeit hat sich die evangelische Kirche in
Deutschland (EKD) in diese Debatte verstrickt, und die Ergebnisse sind höchst
kontrovers. Die jüngsten Äußerungen der EKD und der Diakonie, die auf eine
erleichterte Regelung für Abtreibungen abzielen, haben einen heftigen Diskurs
in der religiösen Gemeinschaft ausgelöst. Dies wirft die Frage auf, ob die
Kirche ihren eigentlichen Auftrag aus den Augen verloren hat.
Die Grüne Familienministerin Lisa Paus hat Abtreibungen in
Deutschland erleichtern wollen, und die EKD scheint bereitwillig ihre
Unterstützung anzubieten. In einer Stellungnahme erklärte der Rat der EKD, dass
sie sich eine Regelung von Abtreibungen außerhalb des Strafrechts bis zur 22.
Schwangerschaftswoche vorstellen können. Die Diakonie ging sogar noch weiter,
indem sie die verpflichtende Beratung vor einer Abtreibung abschaffen möchte.
Der Dachverband der Evangelischen Frauen in Deutschland fordert sogar die
komplette Streichung des Paragrafen 218, der Abtreibungen regelt.
Einige evangelische Kirchenzeitungen jubeln über diese
Entwicklungen. Doch die Begründung, dass dies die Rechte der Frauen in
Deutschland stärke, wirft Fragen auf. Denn es ist schwer nachvollziehbar, wo
genau die Frauenrechte in Deutschland erodieren, wie in einem Kommentar
behauptet wird. Im Gegenteil, in Deutschland deutet nichts darauf hin, dass
Paragraf 218 verschärft und Abtreibungen erschwert werden könnten.
In Deutschland werden jedes Jahr rund 100.000 Kinder im
Mutterleib getötet, und die Lebensrechtsbewegung steht seit Jahrzehnten in der
Defensive. Wenn in Deutschland irgendetwas erodiert, dann ist es das
Lebensrecht ungeborener Kinder.
Die evangelische Kirche und ihre Diakonie scheinen in
dieser Angelegenheit ihre theologischen Wurzeln und ihren Bezug zu Gott aus den
Augen zu verlieren. Die neuen evangelischen Positionen in dieser Frage werden
als "polarisierend-einseitig" kritisiert. Der EKD-Vorstoß scheint
nicht mehr auf dem Schutz des Lebens zu basieren, sondern auf dem Bestreben,
sich den gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen.
Der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber
argumentiert, dass die von der EKD geforderte Liberalisierung unrecht ist. Eine
Regelung von Abtreibungen außerhalb des Strafrechts sei nicht möglich, da ein
Mindestmaß des gebotenen Schutzes nicht unterschritten werden dürfe. Das
Bundesverfassungsgericht habe bereits festgestellt, dass auf den Einsatz des
Strafrechts und die davon ausgehende Schutzwirkung nicht verzichtet werden
könne.
Es ist ermutigend zu sehen, dass es innerhalb der Kirche
Widerspruch gibt. Verschiedene theologische Gruppen und Christen haben sich
gegen die abtreibungsfreundlichen Stellungnahmen der EKD ausgesprochen. Dies
ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass die Haltung der gesamten
Christenheit nicht fälschlicherweise mit abtreibungsfreundlichen Positionen in
Verbindung gebracht wird.
Es bleibt zu hoffen, dass dieser Widerspruch weiter wächst,
bevor die EKD-Synode im November tagt. Nur so kann vermieden werden, dass
abtreibungsfreundliche Stellungnahmen die Haltung aller Christen widerspiegeln
und die Kernwerte der Kirche ausgehöhlt werden.